„… ich schäme mich, vor Dir bekennen zu müssen, dass ich die Befehle meiner Herren, nämlich Lust, Zorn, Gier, Illusion und Neid, ausgeführt habe. Manchmal bin ich ihren Befehlen in einer höchst abscheulichen Weise nachgekommen. Doch obwohl ich ihnen so treu diente, sind sie weder zufrieden noch gütig genug, mich aus ihren Dienst zu entlassen. Sie schämen sich nicht einmal, sich von mir in dieser Weise bedienen zu lassen …“ *)
Das o.a. Zitat ist einer tiefgründigeren Betrachtung wert, denn wir alle sind vor den darin genannten sowie ähnlichen Trieben und Verhaltensweisen kaum gefeit – sie führen zu unseligen Verstrickungen und leidvollen Erfahrungen, denen wir mit spontanen, unüberlegten oder zumindest kurzsichtigen Handlungen zu begegnen versuchen. Und wir verstricken uns auch gerade deshalb in diese leidvollen Erfahrungen, weil uns der wahre Überblick über alle Geschehnisse, in die wir immer irgendwie eingebunden sind, fehlt und uns auch die Macht nicht zur Verfügung steht, alle Geschehnisse zu unserem eigenen Gunsten zu gestalten. Der Kampf, diesem „unseligen Spiel“ endgültig zu entrinnen, gleicht dem heftigen Strampeln eines Ertrinkenden, der sich im Wasser nicht auf den Rücken legt und erst einmal Ruhe bewahrt …
Geistige Ruhe kann man u.a. durch klassische Yoga-Übungen, Tai-Chi oder Chi-Gong erzielen und sich in einer anschließenden Meditation darüber im Klaren werden, wer man eigentlich selber ist, woher man kommt und wohin künftig geht. Und hierbei fällt dem Praktizierenden recht schnell auf, dass sein Leben bisher von eigentlich unwichtigen Dingen beherrscht wurde, von denen man sich dann auch zielgerichtet wieder trennen kann. Die bisherige Ausrichtung auf diese und überhaupt alle „Dinge des Lebens“ ist nichts Anderes als eine Ausrichtung auf materielle Äußerlichkeiten, die uns bisher immer beeindruckten. Doch wie sind wir eigentlich in diese Rolle, die im o.a. Zitat als „unselige Dienerschaft“ bezeichnet wird, geraten ?
In der (ayur-) vedischen Psychologie betrachtet man immer das Zusammenwirken von Körper, Geist und Seele – genauer gesagt von Ego (Selbstbildnis bzw. „falsches Ich“), Intelligenz und Geist. Zur Erinnerung: Die 5 grobstofflichen Elemente sind der Äther (Raum), die Luft, das Feuer, das Wasser sowie die Erde, und die 3 feinstofflichen Elemente sind das Ego, die Intelligenz und der Geist. Während dessen wir mit unseren grobstofflichen Sinnen den Raum hören, die Luft riechen, das Feuer sehen, das Wasser schmecken und die Erde ertasten können, so fällt es uns schwer, das Wirken der feinstofflichen Elemente gleich zu erkennen. Hier sind es der Geist, der die Signale von den o.g. Wahrnehmungs-Sinnen an unsere Intelligenz leitet, welche die Wahrnehmungen soweit zu analysieren versucht, wie wir individuell dazu in der Lage sind, und dann das Ego, welches in Bezug auf unser verzerrtes Selbstbildnis zwischen wahr und unwahr, zwischen möglich und unmöglich, zwischen erwünscht und unerwünscht usw. entscheidet …
Und dann geht das „unselige Spiel“ wieder anders herum: Das Ego (Selbstbildnis) nutzt die individuelle Intelligenz, die körpereigenen geistigen Energien gezielt an unsere 5 Handlungs-Sinne, nämlich das Sprechen, das Greifen (auch Schreiben), das Gehen, das Vermehren (Sexualität) und das Ausscheiden, zu senden. Doch was kommt dabei heraus … ? Sind wir uns immer vorher dessen bewusst, ob unsere Entscheidungen und darauf folgenden Handlungen nicht wieder unselige Folgen (leidvolle Erfahrungen) für uns selber nach sich ziehen ? Kann es nicht auch sein, dass wir eine größere Harmonie, in der wir immer mit eingebunden sind, stören, nur weil wir bisher den entsprechenden Kontext nicht erkannt oder ganz bewusst sogar ignoriert haben … ?
Wem dienen wir eigentlich wirklich – unseren eigenen Sinnen zu deren Befriedigung oder fremden Herren und wem … ? Und sind die Dinge um uns herum von uns selber wirklich soweit beherrschbar, dass uns mehr das persönliche Glück anstatt leidvolle Erfahrungen zur Seite stehen … ? Diese Fragen überhaupt erst einmal zu stellen, um schrittweise seine eigene Position im Universum besser zu erkennen, erfordert schon recht viel Mut, und dieser wird zumeist erst dann aufgebracht, wenn wirklich nichts mehr weitergeht. Mehr dazu dann auch noch einmal hier …
Das o.a. Gebet eines Vaishnavas setzt sich mit folgenden Worten fort: „… Mein lieber Herr …, jetzt habe ich mich besonnen, und ich suche Zuflucht bei Deinen Lotosfüßen. Bitte beschäftige mich in Deinem Dienst.“ Mit anderen Worten kann man sich auch ohne geschäftige Umtriebigkeit einfach der göttlichen Schöpfung und dem Schöpfer (Gott, Krishna) selber hingeben, wenn man die Illusion (Maja) durchschaut hat, die Dinge um uns herum (kaum) wirklich beherrschen zu können …
*) „Der Nektar der Hingabe“ von A.C.Bhaktivedanta Swami Prahhupada (Kapitel 26 „Transzendentale Zuneigung – Dienertum“)