Wir selbst nehmen uns überall mit hin

Diese Aussage mag zunächst etwas verwirren, weil wir uns doch ganz offensichtlich überall hin mitnehmen, aber dabei meinen wir im Allgemeinen unsere Persönlichkeit, wie wir sie mit unseren fünf menschlichen Sinnen wahrnehmen oder wie wir sie in uns selber sehen. An dieser Sichtweise ist schon etwas Wahres dran, aber dabei sollten wir es nicht einfach so belassen …

Im Hinblick auf die aktuelle weltpolitische Situation, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte, gibt es sowohl eine „gute“ als auch eine „schlechte“ Nachricht: Die „gute“ Nachricht besteht darin, dass all jene, die uns mit ihrer Gier zunehmend in existenzielle Schwierigkeiten bringen, nach ihrem physisch-biologischen Tod furchtbare Leiden und damit ihre „gerechte Strafe“ erfahren werden. Die „schlechte“ Nachricht ist die, dass auch wir nicht davor gefeit sind, wenn wir unser eigenes Leben nicht bewusster spirituell ausrichten. Das zu wissen, ist jedoch wieder eine gute Nachricht …

Ähnliche Botschaften verbreiteten bereits seit Urzeiten unsere Großeltern und die Religionen, mit denen wir bisher in Kontakt gelangt sind. Wenn wir einmal unsere sicherlich nicht ganz unberechtigten Kritiken an gewissen religiösen Institutionen und deren Handlungsweisen außer Acht lassen, hat die obige Aussage einen absoluten Wahrheitsgehalt, den wir auch ernst nehmen sollten. Worum es eigentlich geht:

Wir Menschen verfügen über einen sichtbaren grobstofflichen (biologischen) Körper, der in einen unsichtbaren feinstofflichen (Energie-) Körper eingebettet ist. Dieser feinstoffliche Körper beherbergt unter anderem unsere Grundeinstellungen (Mentalitäten) und unsere Erfahrungen (Karma). In den Veden wird der feinstoffliche Körper auch als individuelles Behältnis unserer Intelligenz, unseres Geistes und unseres Egos angesehen. Wir selber – die rein spirituelle Seele – befinden uns mitten in diesem Behältnis, und zwar so lange, so lange es noch nicht erlebte Wünsche und noch nicht endgültig zum Abschluss gebrachte Vorgänge (Karma) gibt …

Die Intelligenz, der Geist und das Ego sind feinstoffliche Energiefelder bzw. -ströme und daher materieller Natur. Sie dienen uns dazu, mit der uns umgebenden Materie zu interagieren, d.h. sowohl mit unserer grobstofflichen biologischen Verkörperung als auch mit all jenen materiellen Erscheinungen, die wir mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen und auf die wir zuweilen auch selber mit bestimmten Absichten einwirken. Genau diese Absichten sind einmal tiefgründiger zu hinterfragen, denn jede materielle Interaktion führt zu materiellen Reaktionen (Karma) und materiellen Verstrickungen. Diese wiederum sind nicht nur mit zunehmendem Wohlstand und Glücksgefühlen, sondern auch mit Anstrengungen und sogar Leid verbunden – Materie ist von Natur aus immer dual …

Die materielle (grob- und feinstoffliche) Verkörperung eines jeden Lebewesens (Seele) unterliegt bekanntlich ständigen Wandlungen, die sich unter anderem im Wachstum, in Krankheit, Verfall und Tod zeigen. Sind gewisse Wünsche noch nicht erlebt und ins Laufen gebrachte Vorgänge noch nicht endgültig abgeschlossen worden, so bleiben sie nach dem biologischen Tod des grobstofflichen Körpers weiterhin Bestandteil des feinstofflichen Körpers, der nach einer gewissen Zeit zur Vollendung seiner Vorhaben wieder eine neue grobstoffliche Verkörperung annehmen wird – das entspricht nämlich seinen noch bestehenden Wünschen und offenen Verpflichtungen …

Die Inbesitznahme einer neuen biologischen Verkörperung, soweit sie erforderlich ist, ist von zahlreichen Faktoren abhängig. So wird das Lebewesen (Seele) im Folgeleben eine Verkörperung annehmen, die den noch offenen Vorhaben am besten entspricht. Äußerst materiell orientierte Menschen werden daher noch tiefer in die Materie einsinken und sich noch mehr mit ihrer Dualität abmühen müssen, wohingegen Menschen, die sich immer weniger auf Materie eingelassen haben, ein leichteres Leben haben werden. Die „Krönung“ der menschlichen Entwicklung ist die absolute Aufgabe einer jeglichen materiellen Verkörperung und das sogenannte rein spirituelle „Eingehen in Gottes Reich“. Wie weit dieses Ziel für jeden einzelnen Menschen erstrebenswert ist, hängt von seinem individuellen spirituellen Entwicklungsstand und damit von seiner Beziehung zum Schöpfer (Gott bzw. „Krishna“) ab. Es gibt zahlreiche Philosophien und Religionen, die sich mit dieser Thematik (teilweise auch konträr) auseinandersetzen, doch als Ayurveden beziehen wir uns auf die vedischen Überlieferungen, wie z.B. folgende Texte:

„Das Lebewesen handelt im gegenwär­tigen Leben in einem grobstofflichen Körper. Dieser Körper wird vom feinstofflichen Körper, der sich aus Geist, Intelligenz und Ego zusammensetzt, dazu gezwungen, zu handeln. Nachdem der grobstoffliche Körper verloren ist, ist der feinstoffliche Körper noch vorhanden, um zu genießen oder zu leiden. Deshalb gibt es keinen Wandel.“ („Srimad Bhagavatam“, 4. Canto, Kapitel 29, Vers 60)

„Das Lebewesen verläßt, während es träumt, den eigentlichen lebenden Körper. Mit Hilfe der Tätigkeiten seines Geistes und seiner Intelligenz han­delt es in einem anderen Körper als ein Halbgott oder als ein Hund. Nach­ dem es den grobstofflichen Körper verlassen hat, geht das Lebewesen ent­weder in den Körper eines Tieres oder in den Körper einen Halbgottes ein – auf diesem Planeten oder auf einem anderen. So genießt es die Ergebnisse der Handlungen seines vorhergehenden Lebens.“ („Srimad Bhagavatam“, 4. Canto, Kapitel 29, Vers 61)

Das Lebewesen kämpft hart im Bann der körperlichen Auffassung von: „Ich bin dieses und ich bin jenes. Meine Pflicht ist dies, und deshalb werde ich es tun.“ All dies sind geistige Eindrücke, und alle diese Tätigkeiten sind zeitweilig; nichtsdestoweniger erhält das Lebewesen durch die Gnade der Höchsten Persönlichkeit Gottes Gelegenheit, alle seine Hirngespinste in die Tat umzusetzen. Deshalb erhält es einen weiteren Körper.“ („Srimad Bhagavatam“, 4. Canto, Kapitel 29, Vers 62)

„… Der Geist ist die Ursache dafür, daß das Lebewesen entsprechend seiner Verbindung mit der materiellen Natur eine bestimmte Art von Körper erhält. Am Geisteszustand kann man erkennen, was das Lebewesen in seinem vorgangenen Leben war und welche Art von Körper es in Zukunft haben wird. Deshalb kann man am Geisteszustand die vergangenen und zukünftigen Körper erkennen.“ („Srimad Bhagavatam“, 4. Canto, Kapitel 29, Vers 66)

„Manchmal sehen wir im Traum etwas, was wir in diesem Leben niemals erfahren oder gehört haben, doch alle diese Begebenheiten sind zu ver­schiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Um­ständen erfahren worden.“ („Srimad Bhagavatam“, 4. Canto, Kapitel 29, Vers 67)

„Der Geist des Lebewesens fährt fort, in verschiedenen grobstofflichen Körpern zu existieren, und je nach den Wünschen zur Sinnenbefriedigung, die man hegt, hält der Geist verschiedene Gedanken fest. Im Geist tauchen diese verschiedenen Verbindungen auf; deshalb erscheinen diese Vorstellungen manchmal als Dinge, die wir niemals zuvor gesehen oder gehört ha­ben.“ („Srimad Bhagavatam“, 4. Canto, Kapitel 29, Vers 68)

„Solange der feinstoffliche materielle Körper existiert, der sich aus Intelligenz, Geist, Sinnen, Sinnesobjekten, den Reaktionen der materiellen Eigenschaften, dem Bewußtsein der falschen Identifikation und ihrem relativen Ziel zusammensetzt, existiert auch der grobstoffliche Körper.“ („Srimad Bhagavatam“, 4. Canto, Kapitel 29, Vers 70)

„Durch die Vorgänge des feinstofflichen Körpers entwickelt das Lebewesen grobstoffliche Körper und gibt sie auf. Dies ist als die Seelenwanderung bekannt. Auf diese Weise wird die Seele verschiedenen Arten von soge­nanntem Genuß, Kummer, Furcht, Glück und Unglück unterworfen.“ („Srimad Bhagavatam“, 4. Canto, Kapitel 29, Vers 75)

„Den Seinszustand, an den man sich beim Verlassen des Körpers erinnert, wird man ohne Zweifel erreichen.“ („Bhagavad Gita“, Kapitel 8, Vers 6)

„Menschen, die sich in der Erscheinungsweise der Reinheit befinden, gehen zu den höheren Planeten; diejenigen, die sich in Leidenschaft befinden, bleiben auf den irdischen Planeten, und diejenigen, die sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit befinden, fallen in die höllischen Welten hinab.“ („Bhagavad Gita“, Kapitel 14, Vers 18)

Anmerkung: Eine tiefe materialistische Verstrickung, die sich unter anderem in Neid und Gier und den daraus folgenden Handlungen äußerst, führt unabdingbar in ein elendes nächstes Leben. Menschen, denen die Logik der vedischen Überlieferungen nicht zugänglich ist oder die diese ablehnen, werden „Asuras“ genannt – sie befinden sich ob ihrer Denk- und Handlungsweise in den Erscheinungsweisen („Gunas“) der Unwissenheit sowie Ignoranz („Tamas“) und Leidenschaft („Rajas“) …