Die Stellung der Lebewesen in der göttlichen Schöpfung

In unserer heutigen Zeit maßt sich nahezu jeder Mensch ganz bewusst oder zumindest unbewusst an, eine bestimmte Stellung in der Gesellschaft einnehmen zu müssen. Die daraus entstandenen Hierarchien entsprechen aber nicht immer den jeweiligen rationalen Fähigkeiten und Fertigkeiten und noch seltener dem jeweiligen geistigen Bewusstseinsstand. Tatsächlich ist die Wirklichkeit kaum das, was man als offensichtlich zu erkennen glaubt – oftmals trägt ein Bettler ein noch größeres Herz und umfassendere Weisheit in sich als ein gut situierter Lehrstuhlinhaber …

In den vedischen Überlieferungen wird wiederholt klargestellt, dass unser gesamtes Sein das Ergebnis von Schöpfungsprozessen ist, in die wir nach einer ganz bestimmten Ordnung eingebunden sind. Nicht wir Menschen sind die eigentlichen Schöpfer, sondern unter tranzendentalem Einfluss stehende Mitschöpfer, die je nach ihrem individuellen Erkenntnisstand agieren dürfen und dazu auch eine entsprechende Verkörperung annehmen. Es ist das eigene Selbstbildnis (Ego), das uns in den (Irr-) Glauben versetzt, genau die Dinge immer selber in die Hand nehmen zu können, die unser Leben scheinbar erfolgreicher machen, und andere Mitspieler des Universums scheint es dabei nicht zu geben – oder etwa doch ? Was sagt der Schöpfer („Krishna“) selber dazu ?

„Unter den beiden manifestierten Energien (spirituelle Natur und tote Materie] stehen Wesen, die Lebenskraft besitzen (Gemüse, Gras, Bäume und Pflanzen] höher als tote Materie (Steine, Erde usw]. Höher als sich nicht be­wegende Pflanzen sind Würmer und Schlangen, die sich bewegen können. Über den Würmern und Schlangen stehen Tiere, die Intelligenz entwickelt haben. Den Tieren überlegen sind die Menschen, und höherstehend als die Menschen sind Geister, da sie keinen materiellen Körper besitzen. Über den Geistern stehen die Gandharvas, und ihnen überlegen sind die Siddhas. Hö­herstehend als die Siddhas sind die Kinnaras, und höher als die Kinnaras sind die Asuras. Höher als die Asuras sind die Halbgötter, und unter ihnen ist ln­dra, der König des Himmels, der höchste. Über lndra befinden sich die un­mittelbaren Söhne Brahmas wie König Daksa, und unter den Söhnen Brah­mas ist Siva der höchste. Da Siva der Sohn Brahmas ist, gilt Brahma als hö­herstehend, doch Brahma ist Mir, der Höchsten Persönlichkeit Gottes, untergeordnet. Da Ich den brahmanas zugeneigt bin, sind die brahmanas die besten von allen.“ („Srimad Bhagavatam“, 5. Canto, Kapitel 5, Vers 21-22)

Damit muss man sich erst einmal arrangieren können, d.h. den Mut aufbringen, die bisherige trügerische Ich-Vorstellung (Ego) von der „Krone der Schöpfung“ zu zerbrechen. Das ist in einer materialistisch und oftmals auch atheistisch ausgerichteten Gesellschaft ein sehr mühsamer und nicht selten auch einsamer Weg. Wenn man diesen eventuell zu gehen bereit ist, so wäre doch zumindest interessant zu wissen, wie man sich denn „den Schöpfer Selbst“ („Krishna“) vorstellen kann. Dazu gibt es unter anderem folgende Beschreibung:

„… Er ist in Sich Selbst vollkommen und nicht von anderen abhängig. Er wird durch Hö­ren und durch unmittelbare Wahrnehmung erkannt. Er strahlt aus Sich Selbst heraus und erfährt weder Geburt, Alter, Krankheit noch Tod. Er ist der Beherrscher aller Halbgötter, angefangen mit Brahma. Er wird Narayana genannt, und nach der Vernichtung der materiellen Welt ist Er die Zuflucht aller Lebewesen. Er besitzt alle Reichtümer in vollkommenem Maße, und in Ihm ruht alles Materielle. Er ist deshalb als Vasudeva, die Höchste Persön­lichkeit Gottes, bekannt. Durch Seine eigene Kraft ist Er im Herzen aller Le­bewesen gegenwärtig, genau wie sich die Luft oder die Lebenskraft im Kör­per aller sich bewegenden und sich nicht bewegenden Wesen befindet. Auf diese Weise lenkt Er den Körper. Die Höchste Persönlichkeit Gottes geht in Ihrem Teilaspekt in alle Körper ein und lenkt sie.“ („Srimad Bhagavatam“, 5. Canto, Kapitel 11, Vers 13-14)

Mit anderen Worten ist der Schöpfer von allem was ist (Gott bzw. „Krishna“) ein eigenständiges Lebewesen mit einem spirituellen Körper, der eine helle spirituelle Ausstrahlung hat (Seelen-Funken) und einen dunklen materiellen Schatten, in den sich die Seelen geistig verfangen können und dann eine materielle Verkörperung annehmen. Der Schöpfer ist durch seine Alles durchdringende Ausstrahlung im gesamten Universum präsent, so auch als Über-Seele („Paramatma“) in jedem individuellen Lebewesen, die auf dieses Lebewesen transzendental Einfluss nimmt. Diese Einflussnahme kann man wahrnehmen, wenn man sich „einfach von Innen geführt“ empfindet und dabei einmal seinen rationalen Verstand ignoriert …

Man beachte: Der Verstand ist eine Komponente des unsere Körper unstet durchfließenden Geistes, der sich unter anderem von äußeren Sinneswahrnehmungen beeindrucken lässt. Im Ergebnis entsteht ein Bildnis von der Welt um uns herum und von uns selbst (Ego). Da das Äußere der materielle Schatten des Schöpfers in unendlich vielen Zuständen und Formen ist, entspricht es nicht einer beständigen Realität und sollte daher als eine unbeständige Täuschung erkannt werden. Die Beherrschung der Sinne und des Verstandes über solche Praktiken, wie Yoga und Meditation, dient dazu, einen freien Zugang zur inneren (göttlichen) Stimme zu gewinnen und damit zur in uns residierenden Über-Seele („Paramatma“).

Nun stellt sich die Frage, wozu das Wissen um diese Dinge gut sein soll, wenn es hier eigentlich doch nur um AYURVEDA („Wissen vom Leben“) gehen soll ? Nun – was nützt uns Teilwissen, wenn wir unser individuelles Leben und das uns begleitende gesellschaftliche Leben begreifen und „verbessern“ wollen ? Wieviel Einfluss haben wir darauf wirklich und worin überhaupt liegt der eigentlichen Sinn unseres Lebens ? Tatsächlich ist es nicht wirklich damit getan, durch ayurvedische Behandlungen körperliche (Krankheits-) Symtome zu beseitigen, denn eine wirkliche Heilung besteht in der ganz bewussten und wesensgemäßen (Wieder-) Einbindung der eigenen Persönlichkeit ins gesamte kosmische Dasein …

Kurze Erläuterung:

  • Gandharva = ein Gott zugewandtes (spirituell orientiertes) niederes Geistwesen mit magischen Fähigkeiten
  • Siddha = Yogi mit übernatürlichen magischen und spirituellen Fähgkeiten
  • Kinnara = Mischwesen zwischen Mensch und Vogel bzw. Pferd mit besonderen musikalischen Fähigkeiten
  • Asura = ein von Gott abgewandtes (materiell orientiertes) niederes Geistwesen mit dämonischen Ambitionen
  • Indra = Halbgott und Herrscher über alle himmlische Wesen
  • Brahma = erstes (materiell) verkörpertes Lebewesen des Universums überhaupt; Halbgott und Repräsentant des Rajas-Guna (Leidenschaft)
  • Siva (Shiva) = einer der ersten Söhne Brahmas, Halbgott und Repräsentant des Tamas-Guna (Unwissenheit)
  • Visnu (Vishnu) = Gott (Krishna) selbst und Repräsentant des Sattva-Guna (Bewusstheit bzw. Tugend)
  • Brahmane = vedischer Priester
  • Vaisnava = Visnu- bzw. Gott-Geweihter